Presse-Spiegel
Opernhaus Zürich
Ermanno Wolf-Ferrari: Il Segreto di Susanna
Giacomo Puccini: Gianni Schicchi
9. September 2006 (Premiere)
   Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Lichtgestaltung

Susanna
Graf Gil
Sante

Lauretta
Zita
Nella
La Ciesca
Gianni Schicchi
Rinuccio
Simone
Marco
Betto di Signa
Gherardo
Spinelloccio
Amatino di Nicolao
Pinello
Guccio

Nello Santi
Grischa Asagaroff
Luigi Perego
Luigi Perego
Hans-Rudolf Kunz

Adriana Marfisi
Paolo Rumetz
Timo Schlüssel

Adriana Marfisi
Cornelia Kallisch
Margaret Chalker
Stefania Kaluza
Leo Nucci
Fabio Sartori
Giuseppe Scorsin
Cheyne Davidson
Valeriy Murga
Peter Keller
Manuel Betancourt
Morgan Moody
Michael Adair
Thilo Dahlmann


Rezensionen
     Von den Gefahren des Rauchens und des Grubengrabens
einer Premieren-Besucherin)
Ohne angehängte Bleigewichte
Zwei Mal Krach mit Happy End
Familienfest an der Rampe

Kleines Geheimnis - grosser Betrug
Auf harmlosen blauen Dunst folgt Erbschleicherei
Wenn der Maestro den Ton angibt
Harmlos-beschwingtes Santi-Fest
Die Narren spielen, und schön singen sie dazu
Ein Dirigent mit Herzenswärme
«Tutto è fumo a questo mondo»
       

Vox spectatricis

10. 9. 2006 / Chantal Steiner

Von den Gefahren des Rauchens und des Grubengrabens

Zum 75. Geburtstag von Nello Santi gelangten zwei Einakter zur Premiere:„Il segreto di Susanna“ von Ermanno Wolf-Ferrari sowie „Gianni Schicchi“ von Giacomo Puccini. Ein Rätsel für mich, wie man die beiden Stücke koppeln kann, verbindet sie doch wirklich gar nichts. Vermutlich war es ein Wunsch von Santi oder ein Vehikel für dessen Tochter Adriana Marfisi, die in beiden Stücken erstmals am Opernhaus auftrat.

Das Publikum war entzückt; ich wiederum war seltsam indifferent: ein Abend, der zwar nicht wirklich missraten war, der aber nichts hinterlassen wird, schon gar nicht den Wunsch, die Aufführung nochmals zu besuchen.

„Il segreto di Susanna“ handelt von einer jungvermählten Frau (Adriana Marfisi) und ihrem gräflichen Ehemann (Paolo Rumetz). Susanna raucht heimlich Zigaretten. Der Rauch bleibt in der Wohnung haften und der Ehemann erschnüffelt ihn, fängt jedoch an, seine Frau der Untreue zu verdächtigen, da er meint, ihr Liebhaber hätte in der Wohnung geraucht. Beide reden gekonnt aneinander vorbei, bis sich das Rätsel löst - ein Zwei-Personen-Stück mit einer zusätzlichen stummen Rolle (Timo Schlüssel). Das Ganze wird von Grischa Asagaroff in ein Art-Deco-Ambiente verpackt; allerdings bleibt es dabei. Die beiden Protagonisten vermögen dem Schwank keine schauspielerischen Glanzpunkte zu geben, es bleibt alles bieder, mit stereotypen Operngesten behaftet, polternd bei Rumetz. Es fehlt die Leichtigkeit, das Augenzwinkern. Gesanglich vermochten mich beide nicht zu überzeugen. Rumetz’ eindimensionaler Bass-Bariton hatte in der Höhe sowie in der Intonation mit erheblichen Problemen zu kämpfen und Marfisis Stimme ist alles andere als schön, scheppert schon beträchtlich und vom Auf-Linie-Singen ist sie auch meilenweit entfernt. Viele Zuschauer fragten sich, warum ausgerechnet diese Sängerin aufgeboten wurde.

Die Leistung des Orchesters unter Altmeister Nello Santi hingegen vermochte zu überzeugen. Die Orchestrierung von Wolf-Ferrari ist komplex, das Ganze muss transparent, leicht und quicklebendig erscheinen. Dass ein Komponist des frühen 20. Jahrhunderts so melodiös schreibt, verwundert mich bei Wolf-Ferrari immer wieder. Da es sich bei dem „Segreto di Susanna“ um ein Konversationsstück handelt, war mir die Lautstärke bisweilen zu hoch; man verstand vereinzelt die Sänger nicht mehr (gottlob gab es die Übertitel). Bei aller Wertschätzung für die Leistung, die Nello Santi in all den vielen Jahren erbracht hat, kann ich nicht verstehen, wie undifferenziert er in Zürich vergöttert wird. Wenn ich z.B. im Programmheft lese, dass „das traditionsbewusste Dirigieren in der Nachfolge Arturo Toscaninis, Victor de Sabatas und Wilhelm Furtwänglers als Santis Markenzeichen gelten“ darf, dann frage ich mich ernstlich, ob gewisse Leute wissen, wovon sie schreiben, und die Hurra-Schreie, bevor er auch nur einen Ton zum Besten gegeben hat, nerven mich sehr. Dies nur so en passant. Immerhin hatte Santi gestern massgeblichen Anteil daran, dass „Il segreto di Susanna“ nicht komplett in die Bedeutungslosigkeit abdriftete. Kein Vergleich zu „I quattro rusteghi“, das vor einigen Jahren – mit einer vorzüglichen schauspielerischen und sängerischen Besetzung – in Zürich Premiere hatte!

Bei den ersten Tönen von „Gianni Schicchi“ ging einem auf, warum Puccini als Meister deklariert wird und Wolf-Ferrari nur als interessante Entdeckung. Die Musik ist üppig, sinnlich und spritzig, das Werk eine Satire, die in der Umsetzung durch Asagaroff durchaus mehr Schärfe und Pointiertheit vertragen hätte; denn es ist mehr als nur eine hübsche Komödie, es ist auch eine Gesellschaftskritik. Das Publikum darf aber „sein Hirn an der Garderobe abgeben“ und dem munteren Geschehen zuschauen, ohne sich Gedanken über die Perfidie der Protagonisten zu machen; schade – da wäre mehr drin gewesen! Die gesammelte Verwandtschaft betrauert den Tod des „armen Buoso Donati“, bis sie merken, dass dieser sie enterbt hat. Rinuccio (Fabio Sartori) ist darüber am traurigsten, bekommt er unter diesen Umständen doch nicht die Bewilligung, Lauretta (Andrea Marfisi), die Tochter von Gianni Schicchi (Leo Nucci), zu heiraten. Dieser ist in den Augen der hochwohlgeborenen Verwandtschaft nur ein Zugereister, ein Emporkömmling. Die Verwandtschaft sinnt darüber nach, wie das Testament doch noch zu ihren Gunsten ausfallen könnte. Schicchi, der von Rinuccio in Erwartung eines Geldsegens für die Verwandtschaft herbeigeholt worden war, schlägt dann vor, dass er sich anstelle des toten Buoso in dessen Bett legt und dem Notar sein Testament diktiert. Selbstverständlich versucht fast jeder einzelne aus der Verwandtschaft, Gianni Schicchi zu „überzeugen“ (mittels Bestechung), dass er ihnen das beste Stück der Erbschaft vermache. Gianni Schicchi warnt alle, dass sie sich zum Komplizen der Erbschleicherei machen, denen man im Florenz der damaligen Zeit den Arm abhackte, wenn die Sache aufflog. Es kommt, wie’s kommen muss, die besten Stücke vermacht „Buoso“ seinem „besten Freund Gianni Schicchi“ und die Verwandtschaft kann nichts dagegen tun. Lauretta bekommt ihren Rinuccio, die Verwandtschaft ist zumindest nicht leer ausgegangen und Gianni Schicchi ist der strahlende Sieger, der sie alle aus seinem (denn nun gehört es ja ihm) Haus jagt.

Das Stück steht und fällt mit Leo Nucci, der Schicchi mit Schalk und Durchtriebenheit ausstattet und doch immer sympathisch bleibt. Es ist nicht zu überhören, dass auch Puccinis Sympathie dieser Rolle galt. Auch wenn Nuccis nasal gefärbter Bariton immer etwas gewöhnungsbedürftig ist: Es ist erstaunlich, wie frisch seine Stimme immer noch klingt, wie perfekt er den Anforderungen gerecht wird. Aus den vielen Nebenrollen sticht vor allem Fabio Sartori mit seinem warmen, aufblühenden Tenor hervor. Die Stimme klingt zwar immer wie mit einem Schleier belegt, aber das macht sie doch sehr speziell. Die anderen Rollen waren allesamt rollendeckend ausgefüllt, auch wenn nur noch Cornelia Kallisch als schrullige „Vecchia“ herausstach. Marfisi gestaltete ihr „O mio babbino caro“ besser als befürchtet, ein Freund meinte jedoch dazu nur lakonisch: „Sie singt es so wie die Callas, als die schon abgesungen war.“

Das Orchester unter der routinierten Leitung von Santi spielte mit viel Verve und brachte die Partitur zum Blühen.

Grosser Applaus, meist zufriedene Gesichter: ein hübscher Saisonauftakt, aber (leider) nicht mehr!

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Aargauer Zeitung

11. 9. 2006 / Torbjörn Bergflödt

Ohne angehängte Bleigewichte

Zwei Opern von Ermanno Wolf-Ferrari und Giacomo Puccini sind zu Ehren von Nello Santis 75. Geburtstag neu produziert worden.

Ein Fast-Nichts an Handlung. Und doch: Poesie, Charme, Wärme stecken in dem einaktigen Intermezzo «Il segreto di Susanna». Das Opernhaus hat die liebenswürdige Eifersuchtskomödie, komponiert vor bald 100 Jahren von Ermanno Wolf-Ferrari, zusammen mit Puccinis «Gianni Schicchi» zu einem Doppelopernabend gefügt. Susannas Geheimnis - das ist die Lust der Titelfigur, heimlich eine Zigarette zu rauchen. Was den Herrn Gemahl narrt, denn er missdeutet den Tabaksgeruch bei der Frau als Signal für einen Geliebten. Als der Irrtum auffliegt, verfliegen auch sofort die Wolken über der Ehe.

Regisseur Grischa Asagaroff und sein Ausstatter Luigi Perego haben das Stück in die Belle Epoque gestellt. Leichtfüssig kommt die Inszenierung daher, freundlich und witzig, ohne dass dem Werklein Bleigewichte angehängt würden. Der Salon in Gils Haus und die Kleider der beiden singenden Figuren und des stummen Dieners sind in warmen Farbakkorden gehalten. Im Stil einer Boulevardkomödie setzt Asagaroff wirkungssichere Pointen.

Flüssig-schlüssig zieht auch die einaktige Erbschleicherkomödie «Gianni Schicchi» vorbei, ein Ensemblestück par excellence, dessen fünfzehn handelnde Figuren in Asagaroffs Regie sowohl als Kollektiv wie auch in Einzelaktionen Farbe bekommen. Wie zu einem Leporello erscheint in der Ausstattung von Perego die Stadt Florenz als Bilderbuchkulisse aufgeblättert, während davor Vorhänge das Sterbezimmer des Buoso Donati abgrenzen. Die zur Groteske hinüberspielenden Kostüme entstellen Menschen zur Kenntlichkeit, denen Krokodilstränen vor einer frischen Leiche doch noch zu wirklichen Tränen werden: Wenn sie nämlich erfahren, dass Donati seinen Reichtum dem Kloster vermacht hat.

Der musikalische Leiter Nello Santi, der seit 1958/59 Saison für Saison in Zürich dirigiert, macht sich mit dem Abend gewissermassen selbst ein Präsent zu seinem 75. Geburtstag am kommenden 22. September. Speziell ist im Zusammenhang mit dieser Jubiläumsproduktion auch, dass Santis Tochter Adriana Marfisi beide weiblichen Hauptrollen bestreitet: Marfisi durchwärmte mit ihrer Darstellung schön sowohl die Rolle der Gräfin Susanna wie auch von Schicchis Tochter Lauretta, wobei allerdings nicht nur reines Gold im Stimmtimbre dieser Sopranis-tin steckte. Mit singdarstellerischer Konturenschärfe bei nach wie vor erstaunlich klangmächtiger Baritonstimme interpretierte Leo Nucci, den Gesichts erker markant aufgepflästert, den Part des betrügerischen Schicchi. Prägnant der Auftritt von Paolo Rumetz als Gil, raumfüllend das Organ des Tenors Fabio Sartori, der Laurettas Geliebten Rinuccio gab.

Santi und das Hausorches-ter zogen einen bei Wolf-Ferrari mit einer quirlig-sonnigen Vivacissimo-Ouvertüre in den Abend und präsentierten sich mit einem spannungsreichen, farbigen und elastisch atmenden Vortrag auch in der Folge in guter Spiellaune.

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Blick

11. 9. 2006 / Roger Cahn

Zwei Mal Krach mit Happy End

Nello Santi gehört zum Zürcher Opernhaus wie Mozzarella auf die Pizza. Zu seinem 75. Geburtstag schenkt ihm Hausherr Alexander Pereira ein Programm nach seinem Gusto: zwei italienische Einakter mit Tochter Adriana Marfisi in zwei grossen Rollen. Langer, warmer Applaus bei der Premiere am Samstag.

«Il segreto di Susanna» von Ermanno Wolf-Ferrari (1876-1948) ist ein Werk mit banalem Inhalt: Es riecht nach Rauch im Salon. Der Ehemann vermutet, seine Susanna hätte einen Liebhaber. Eifersucht löst einen deftigen Ehekrach aus. Am Ende klärt sich ihr Geheimnis auf: Sie selbst ist die heimliche Raucherin. Versöhnungszigarette - Schlussduett - Happy End. Ein Konversationsstück mit delikater Musik ohne gesangliche Höhepunkte.

Ganz anders «Gianni Schicchi» von Giacomo Puccini (1858-1924): Da zeigt der grosse Meister der Ohrwürmer, dass er auch das Fach «Komödie» beherrscht.

Der Titelheld, ein schlauer Bauer vom Lande, übertölpelt eine noble Florentiner Familie in einem heftigen Erbstreit. Durch eine List schiebt er sich selbst die fettesten Brocken zu und ermöglicht so seiner Tochter, den Geliebten aus eben diesem Florentiner Haus samt Vermögen zu heiraten.

Grischa Asagaroff inszeniert beide Geschichten genau ab Partitur. Das reicht beim genialen Puccini, beantwortet aber nicht die Frage, weshalb «Das Geheimnis der Susanne» heute noch auf einer Bühne gelüftet werden soll. Zum Glück gibts die fantasievollen Bühnenbilder von Luigi Perego, die einen entzückenden Rahmen für die Aufführung bilden.

Nello Santi am Pult beweist, dass er auch mit 75 noch ein grosser Meister der Italianità ist. Er fühlt sich als Diener der Komponisten und Sänger. Präzis, dynamisch, manchmal etwas laut hält er Bühne und Orchestergraben zusammen und ist jederzeit Herr der Lage.

Höhepunkt des Abends: der Auftritt von Starbariton Leo Nucci als Gianni Schicchi. Er lotet sowohl stimmlich wie darstellerisch alle Facetten dieser Paraderolle aus - ein Hochgenuss für Auge und Ohr.

Fazit: Ein unterhaltsamer und zugleich würdiger Abend für den Jubilar und Zürcher Publikumsliebling Nello Santi.

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Der Bund

11. 9. 2006 / Tobias Gerosa

Familienfest an der Rampe

Nicht restlos überzeugend: Die Festproduktion zu Nello Santis 75. Geburtstag im Opernhaus Zürich

Wenn der Dirigent Nello Santi 75 wird (am 22. November genau), hat er im Opernhaus Zürich einen Wunsch offen: Eine Produktion inklusive Besetzung - ein angemessenes Geschenk nach fast 50 Jahren kontinuierlicher Arbeit. Die Geburtstagsproduktion mit Ermanno Wolf-Ferraris «Il Segreto di Susanna» und Giacomo Puccinis «Gianni Schicchi» zeigt: In Sachen italienischer Oper ist Santis Autorität ungebrochen, die Premiere wurde zur Familienfeier gänzlich ohne vermeintliche Regie-Störgeräusche.

Kompetenter Vermittler
1958 stand Nello Santi zum ersten Mal im Opernhaus am Pult und hat seither eine Vielzahl von Aufführungen geleitet. In Sachen Donizetti, Rossini, Puccini und Verdi ist er nicht nur Liebling des Publikums, sondern auch kompetenter Wahrer und Vermittler der italienischen Operntradition der Phrasierung, des Belcanto und Rubato mit legendärem Gedächtnis, das ihn die allermeisten Partituren auswendig dirigieren lässt. Unermüdlich sorgt er auch bei der x-ten Neuproduktion eines Werkes wie «Tosca» oder «Rigoletto» für frischen Schwung und entstaubte Partituren.

Dabei ist Santi ein Sänger-Dirigent, der praktisch alle Texte (mehr oder weniger) stumm mitspricht und seine Protagonisten auf der Bühne auf Händen trägt - auch jetzt im Geburtstagsdoppelabend mit «Il Segreto di Susanna» und «Gianni Schicchi», zwei komödiantischen Einaktern von 1911 bzw. 1918. Susannas Geheimnis erweist sich dabei als äusserst leichtgewichtige Kitschstory. Eigentlich ist es nicht mehr als ein auf 50 Minuten aufgeblasener Werbespot der Tabakindustrie. Susanna raucht heimlich, ihr Mann Graf Gil riecht den Rauch und verdächtigt einen Liebhaber als Täter. Grosse Eifersuchtsszenen ohne jede Ironie. Versöhnung nach der Aufklärung bei gemeinsamer Zigarette. Dabei trieft der Text von süssem Schmalz, die Musik treibt abgesehen von der hübschen Ouvertüre einen pathetischen Riesenaufwand und nimmt sich selber und ihren Anspruch dabei überaus ernst.

Im Schlussgag ein Ideechen
Trotz Santis grossem Bemühen um Spritzigkeit, Energie und Differenzierung bleibt der Eindruck eines verkrampft nach Originalität strebenden Wölkchens: hübsch anzusehen, rasch vergessen. Vielleicht könnte eine charismatische Besetzung diesen Eindruck korrigieren, Paolo Rumetz und Adriana Marfisi gelingt das nicht. Beide singen zweifellos gut, beherrschen ihre Partien technisch und darstellerisch, bleiben dabei aber schematische Figuren. Dass sie Regisseur Grischa Asagaroff in Klappbühnenbildern wie von einer Wandertruppe (Ausstattung Luigi Perego) weitestgehend ungeführt stehen, schreiten und an der Rampe singen lässt, erweist sich als Bumerang. Nur gerade im Schlussgag der Übertitelung erlaubt man sich ein Ideechen. Auch das ist allerdings ein Teil von Nello Santis Opernwelt. Mit auch nur halbwegs modernen Regieansätzen kann er nichts anfangen, und so umgibt er sich mit braven Arrangeuren, die Oper wie im Klischee einfach durchstellen.

Starken Stücken wie «Gianni Schicchi» kann das weniger anhaben. Das Orchester funkelt wie von Quecksilber, kommentiert, treibt und lacht über sich selber, während die Szene, musikalisch straff geführt, auch im Blindflug funktioniert - vor allem wenn die Titelrolle von einem Veteranen wie Leo Nucci übernommen wird. Dass der Erbschleicher, der sich im Auftrag der Verwandten für einen Verstorbenen ausgibt und sich dann im falschen Testament alle Filetstücke selber zuschanzt, mehr deklamieren als singen muss, kommt ihm entgegen. Dafür singen Fabio Sartori (Rinuccio) und wiederum Adriana Marfisi (Lauretta) als Liebespaar umso innigere Linien. Dass Marfisi in beiden Stücken singen darf, ist kein Zufall. Nachdem die junge Sopranistin ihre internationale Karriere ins Rollen gebracht hat, darf man nun auch wissen, dass sie die Tochter des sichtlich stolzen Maestros ist. Mit der restlichen Besetzung aus Santis regelmässiger Sängerfamilie sorgt sie für ein echtes musikalisches Familienfest zum 75sten.

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Der Landbote

11. 9. 2006 / Herbert Büttiker

Kleines Geheimnis - grosser Betrug

Ein Dirigent, zwei heitere Opern: Mit «Il segreto di Susanna» und «Gianni Schicchi» feiert Nello Santi im Opernhaus seinen 75. Geburtstag: ein feines Fest.

Seit 1958 leitete Nello Santi im Opernhaus Jahr für Jahr eine oder mehrere Premieren, aber sein Repertoire ist gross, und so serviert er zum Jubiläum ein Stück, das er hier noch nie dirigiert hat: «Il segreto di Susanna» von Ermanno Wolf-Ferrari, ein kurzes, leichtes Werk, wie der Duft einer Zigarette (ein paar Huster inklusive), passend zum Anlass mit dem nostalgischen Zauber einer vergangenen Opernwelt zum Anlass, und eine glückliche Wahl, um für einmal im Familienverband in Zürich eine Premiere zu bestreiten.

Dass die Darstellerin der Titelfigur, Adriana Marfisi, Santis Tochter ist, ist schon lange kein Geheimnis mehr, beim «Segreto» der Susanna geht es um etwas anderes: Die frisch verheiratete Frau raucht hinter dem Rücken ihres Mannes. Dieser hasst den blauen Dunst, und seine Nase ist sensibilisiert: Unvermeidlich, dass sich Susannas Laster verrät, aber unvermeidlich auch, dass Gil den lästigen Duft einem fremden Mann zuschreibt. Das gibt Wolf-Ferraris spritziger und melodiöser Musik den Pendelschlag von der duftigen Hymne auf den kringelnden Rauch zum polternden Otello-Fortissimo.
Als er Susanna in flagranti ertappt, ist Gil über die Art der Liebhaberei seiner Frau so sehr erleichtert, dass er sich schnell dazu verführen lässt, ebenfalls eine Zigarette zu rauchen – und da sehen wir, wie unzeitgemäss das Stück ist. Der Hinweis, dass Rauchen unserer Gesundheit schadet, fehlt im Opernhaus denn auch nicht. Aber sonst bleiben zeitgeistige Anspielungen beiseite. Grischa Asagaroff und der Ausstatter Luigi Perego lassen Susanna und Gil samt dem stummen Diener standes- und zeitgemäss (Uraufführung 1908 in München, 1911 in Rom) im reizvoll-perfekten Jugendstilambiente agieren. Paolo Rumetz bewegt sich darin musikalisch wie mimisch ein wenig steif auch in der cholerischen Anwandlung und damit ebenso stimmig wie umgekehrt Adriana Marfisi mit der Eleganz der Mucha-Figuren wetteifert. Mit Eleganz und warmer Italianità meistert sie auch die lyrischen Anforderungen der Partie. Neben einer gewissen Schärfe entfaltet ihr Timbre den Charme genug, um auch hartnäckige Nichtraucher zu betören, wie der Applaus vermuten liess.

Keine Höllenpein
Mit den ersten Takten von Giacomo Puccinis «Gianni Schicchi» wird klar, dass man es mit einem Dramatiker zu tun hat, der über Wolf-Ferraris pièce bien faite weit hinaus ist. Um eine kleine Komödie handelt es sich zwar auch da, aber in dissonanten Schärfen und instrumentalen Grotesken wird eine böse Geschichte aus dem alten Florenz erzählt. Den Verwandten, die sich über das Testament ihres reichen Familienoberhauptes ärgern, verspricht Gianni Schicci Hilfe. Er legt sich ins Bett des Verstorbenen, mimt vor dem Notar den schwer Kranken und diktiert ein neues Testament – natürlich zu seinen eigenen Gunsten. Der Schachzug ist der Sieg eines Gerechten in Anführungszeichen. Der verachtete Emporkömmling wischt den Alteingesessenen eines aus und übergibt die Stadt dem jungen Paar, Rinuccio, dem jüngsten Spross des beerbten Hauses, und Lauretta, seiner Tochter. Eine «Revolution» also, die Dante dazu brachte, Gianni Schicchi im achten Höllenkreis einen Platz zuzuweisen.

Aber zuerst sicherte ihm Leo Nucci den Triumph auf der Bühne, und er sorgte dafür, dass der Zuschauerraum am Ende alles andere als ein Höllenkreis war. Das Werk fordert den Erzkomödianten heraus, und Nucci gab ihm mit pfiffiger Mimik und baritonalem Grimm, aber auch Falsett und Schalk alles, was dazugehört. Viel Applaus auch für Adriana Marfisi und das berühmte «O mio babbino caro», für Fabio Sartoris belcantistischen Rinuccio und für das ganze Ensemble, das gepfefferte Karikaturen der am Totenbett lauernden Erbschleicher abgibt.

Auch dieses Stück haben Grischa Asagaroff und Luigi Perego auf ungesuchte Art, aber pointenreich und mit der gebührenden Prise schwarzen Humors inszeniert: Kein Anflug von Regie(will)kür, sondern die Spielvorgabe für eine Fülle starker Sängerleistungen und nicht zuletzt für den Dirigenten Nello Santi, ein Monolith voller innerer musikalischer Vibration, noch immer voller zupackender Energie und mit konzentrierter Präsenz, mit der er Ensemble und Orchester an straffen Zügeln führt.

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Neue Luzerner Zeitung

12. 9. 2006 / Bruno Rauch

Auf harmlosen blauen Dunst folgt Erbschleicherei

Zum 75. Geburtstag von Maestro Nello Santi eröffnet das Opernhaus Zürich die Spielzeit mit zwei Operneinaktern.

Gegeben werden Ermanno Wolf-Ferraris «Segreto di Susanna» und Giacomo Puccinis «Gianni Schicchi». Dabei passt die Reihenfolge gut: Erst kommt das Leichte, dann folgt das Gehaltvollere.

Zuerst also das 1909 in München uraufgeführte Intermezzo des Deutsch-Italieners Wolf-Ferrari (1876 1948). In einem hübsch verspielten Jugendstil-Salon vollzieht sich das Geplänkel des frisch vermählten Paars um Susannens Geheimnis. Worin dieses besteht, deutet eine zeittypische Affiche von Alphonse Mucha an, die zu Beginn die Bühne verdeckt und gleichzeitig die Entstehungszeit des Werks heraufbeschwört: eine Liberty-Lady, die dem blauen Dunst huldigt. Klar, dass der eifersüchtige Gatte Gil hinter dem Zigarettengestank einen Nebenbuhler wittert. Und entsprechend ausrastet, bis Susanna ihr lasterhaftes Geheimnis lüftet und beide gemeinsam paffen.

Leichtfüssige Eleganz
Maestro Santi und das Orchester der Zürcher Oper treffen den leichtfüssigen Buffoton vor allem auch in der quirligen Ouvertüre vortrefflich. Mit transparentem Klang und eloquenter Artikulation unterstützen sie die beiden Sänger: Paolo Rumetz mit ständig hochgezogenen Schultern und entsprechend unflexiblem Bariton, Adriana Marfisi mit hellem, scharf timbriertem Sopran. Für ein paar heitere Momente sorgt Timo Schlüssel als stummer Diener in dieser harmlosen Inszenierung, die, um im Bild zu bleiben, durchaus etwas stärkeren Tobak vertragen hätte.

Dass Regisseur Grischa Asagaroff und sein Ausstatter Luigi Perego auch anders können, beweisen sie in Puccinis (1858?1924) witzig-ironischem Einakter «Gianni Schicchi» (1918). Der Vordergrund zeigt das miefige Sterbezimmer des Buoso Donati mit Paravent und Bettstatt. Dahinter ein Panorama in südlichen Giotto- Farben: die Kuppeln und Türme von Florenz unter dem blauen «cielo divino». Eine ansprechende, adäquate Szenerie für die Erbschleicherei des schlitzohrigen Schicchi, der die gesamte Verwandtschaft austrickst, indem er sich anstelle des Verstorbenen gleich selbst ins Bett legt und das Testament dem Notar neu in die Feder diktiert. Zu seinen Gunsten, selbstverständlich.

Musikalische Schlitzohren
Zwar sieht die Faktur der am Deklamatorischen orientierten Partitur mit wenigen Ausnahmen kaum grosse lyrische Melodiebögen vor. Dennoch hat das treffliche Ensemble da und dort Gelegenheit zu vokalen Exploits, seis in den heuchlerischen Lamenti, seis im gehässigen Zank ums Erbe.

Komödiantisches Profil entwickelt vor allem Cornelia Kallisch als Base Zita, während Fabio Sartori als ihr Neffe Rinuccio auf tenorales Metall und larmoyante Schluchzer setzt. Leo Nucci, in feschem Cannotier und gestreiftem Jackett, leiht dem angejahrten Schwerenöter Schicchi seine stimmliche Souveränität und sein komisches Talent.

Mit «O mio babbino caro» überreicht Lauretta, wiederum Adriana Marfisi, ihrem Vater, Nello Santi, sozusagen einen vokalen, fein abgetönten Geburtstagsstrauss. An seinem eigentlichen Geburtstag, dem 22. September, wird er dasselbe Programm leiten.

Dann dürfte der Applaus wohl um einiges enthusiastischer aufbranden als anlässlich der Premiere. Denn schliesslich ist Santi, der seit 1958 ununterbrochen am Haus dirigiert, so etwas wie ein Garant der musikalischen Tradition, der italienischen natürlich!

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Neue Zürcher Zeitung

11. 9. 2006 / Alfred Zimmerlin

Wenn der Maestro den Ton angibt

Einakter von Puccini und Wolf-Ferrari mit Nello Santi im Opernhaus Zürich

Dramatisch beginnt die Musik aus dem Orchestergraben zu sprechen und das Bühnengeschehen mit ihren kleinen Fingerzeigen hintersinnig zu bestimmen und aufzuschlüsseln. Wenn Nello Santi Giacomo Puccinis einzige komische Oper, die genialische einaktige Erbschaftskomödie «Gianni Schicchi», dirigiert, kommt gerade diese Qualität der Musik in grossem Ausmass zum Tragen. Vom ersten bis zum letzten Ton ist die Partitur durchgestaltet, ausgehört darauf, was sie der Bühne bringt. Ironie wird wohldosiert und mit einem Raffinement sondergleichen eingesetzt.

Vergnüglicher Erbschaftsstreit
Einmalig die Szene der stummen Lesung des Testaments. Phantastisch, wie Santi die Turbulenzen bei der Suche nach dem Testament oder bei der Verfolgungsjagd am Schluss plastisch und handfest, aber immer durchsichtig darstellt. Wie er den Klang des Orchesters der Oper Zürich zum Blühen bringt und die Sängerinnen und Sänger stützt. Maestro Nello Santi kann demnächst seinen fünfundsiebzigsten Geburtstag feiern. Seit 1958 hat er in jeder Spielzeit am Opernhaus Zürich mindestens zwei, meist aber vier bis sechs Opern dirigiert. Er ist ein profunder Kenner des italienischen Repertoires, und das ist zu spüren. Zu seinem Geburtstag gab es nun im Opernhaus Zürich die Premiere von «Gianni Schicchi», gepaart mit Ermanno Wolf-Ferraris kurzem Intermezzo «Il segreto di Susanna».

Nello Santi und der künstlerische Betriebsdirektor der Zürcher Oper, der Regisseur Grischa Asagaroff, sind nach zahlreichen gemeinsamen Unternehmungen ein eingespieltes Team. Ihnen geht es nicht darum, ein Stück neu zu lesen, sondern es so bühnenwirksam wie möglich im Sinne des Autors (und meist auch der Entstehungszeit) zu realisieren. Asagaroff reagiert mit Phantasie in der Personenführung, vielen witzigen Details und Pointen auf Santis Sicht der Partituren und übersetzt sie gleichsam auf die Bühne, ohne aber allzu viel zu verdoppeln. So erhält seine gelungene Inszenierung des «Schicchi» einen Sog, der einen von Anfang an packt und keinen Augenblick loslässt.

Die Bühne und die Kostüme hat Luigi Perego entworfen, ein anderer langjähriger Vertrauter des Teams. Im Hintergrund ist das Panorama von Florenz zu sehen. Das Interieur, in dem die Handlung spielt, ist mit zeitlosen Antiquitäten möbliert und erinnert an die Epoche des Geschehens, die Renaissance, während die Kostüme eher an der Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert anzusiedeln sind. Hier weinen die Erben des soeben verstorbenen Buoso Donati ihre falschen Tränen, entdecken sie die Tatsache, dass Donati sie enterbt hat, und jagen einer betrügerischen Lösung nach. Der verliebte Rinuccio (Fabio Sartori) schmachtet mit schönem, hellem Tenor. Und der als geckenhafter, ältlicher Dandy gekleidete Schlaumeier Gianni Schicchi, Vater von Lauretta, dem Objekt von Rinuccios Sehnen, findet die Lösung des Problems und holt sich ein hübsches Startkapital für die beiden Verliebten heraus. Grandios, wie Leo Nucci diesen Schicchi spielt und sängerisch gestaltet - eine Rolle, die ihm auf den Leib geschrieben scheint. Wunderbar auch der Verein der Erben, unter anderen mit Cornelia Kallisch (Zita), Margaret Chalker (Nella), Giuseppe Scorsin (Simone) oder Peter Keller (Gherardo).

Blauer Dunst
Adriana Marfisi gibt der Lauretta mit leicht geschärfter Stimme weniger Sinnlichkeit als Kindlichkeit. Sie, die Tochter Nello Santis (vgl. NZZ 7. 9. 06), ist im ersten Teil des Abends die heimlich mit Lust rauchende Contessa Susanna in Ermanno Wolf-Ferraris «Segreto di Susanna», einem sich auf Pergolesis «La Serva Padrona» beziehenden Dreipersonenstück. Eine grosse Rolle, die sie auf sympathische Weise dem Publikum nahe bringt. Ihr zur Seite stehen der alle Register seines Könnens bestens präsentierende eifersüchtige Paolo Rumetz als Conte Gil und Timo Schüssel, der den stumm agierenden Diener Sante herrlich verschmitzt gibt. Hier begegnen wir einem Jugendstil-Interieur, im selben Halbrund angeordnet wie danach die Bühne des «Schicchi». Der Vorhang zeigt das Design einer bekannten Zigarettenpapierchen-Marke. Wolf- Ferraris Intermezzo hat leider ein in seiner Substanz mehr als bescheidenes Libretto: pure, dramaturgisch nicht einmal geschickt aufgebaute Unterhaltung.

Wenn da nicht die reizvolle Musik - und Santis Dirigat - wären. Denn die Partitur glänzt mit Einfallsreichtum und Witz, schon in der Ouverture. Die Musik geht leicht ins Ohr, man erfreut sich daran - und kann sie am Ende wieder loslassen. Delikat, wie der Komponist bei Susannas Arie, wenn sie den Genuss des blauen Dunstes preist, die Orchesterfarben mit Solovioline, Harfe und Celesta mischt. Grischa Asagaroff zeigt auch hier eine ausgesprochen witzige Personenführung. Und er legt den Keim für etliche Gags, die er danach im «Schicchi» genüsslich zelebriert. «Il segreto» ist ein hübscher, amüsanter Werbespot für das Rauchen. Konsequenterweise ist am Schluss auch auf der Übertitel-Projektion zu lesen: «Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit».

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St. Galler Tagblatt

11. 9. 2006 / Verena Naegele

Harmlos-beschwingtes Santi-Fest

Opernhaus Zürich: Nello Santis Geburtstagsgeschenk mit Wolf-Ferrari und Puccini

Zum 75. Geburtstag von Nello Santi offerierte ihm das Opernhaus Zürich eine Oper nach Wahl. Mit Einaktern von Wolf-Ferrari und Puccini wurde es ein beschwingtes Santi-Fest ohne Tiefgang.

Seit fast 50 Jahren dirigiert Nello Santi in Zürich das italienische Fach um Verdi und Puccini und ist zum unverzichtbaren «Inventar» des Glamourhauses geworden. Wiewohl alles andere als der Inbegriff eines Stars, hat der korpulente kleine Mann mit dem seltsam ausdruckslosen Blick und der resoluten Gestik eine charismatische Ausstrahlung, die das Publikum hinreisst. Wer Santi liebt, der liebt die feurige Italianità, nicht Präzision und technische Vollendung, sondern Lebendigkeit und Dramatik, die auch schon mal den Zusammenhalt zwischen Bühne und Orchestergraben zum Wackeln bringt.

Regie-Experimente sucht man beim Maestro des Sängerkults und der konservativen Werktreue seit jeher vergeblich. Dies gilt denn auch für Grischa Asagaroffs Inszenierung der beiden Einakter «Il Segreto di Susanna» von Wolf-Ferrari und «Gianni Schicchi» von Puccini. Spektakulär war das nicht, womit Santi sein Jubiläum beging, eher hintergründig gewitzt, prachtvoll ausgestattet und etwas oberflächlich. Es sind zwei Konversationsopern mit agiler, rezitativisch angelegter, farbenprächtiger Musik, wobei das eine ein Kammerspiel, das andere ein buntes Ensemblestück, verschiedene Facetten fordern.

Ein feudal im Jugendstil ausgestatteter Herrschaftssalon erwartet uns bei Wolf-Ferraris Geschichtchen: Susanna raucht heimlich, ihr Gatte «riecht» den Nebenbuhler, und schon beginnt das Spiel zu dritt. Wolf-Ferraris Musik schillert in schwärmerischen Arieneinlagen und Duetten, und das Opernhausorchester unter Santis Stabführung blühte, es wummerte und schmolz, wenn auch nicht immer präzis.

Auf diesem instrumentalen Nährboden überzeugte der Bariton Paolo Rumetz als rasender Conte Gil. Gespannt war man auf den Auftritt von Santis Tochter Adriana Marfisi als Susanna, doch konnte sie mit ihrem seltsam verengt tönenden Sopran trotz väterlicher Protektion nicht überzeugen. Schmelzender gelang ihr die Arie der Lauretta «Oh mio babbibo caro» in «Gianni Schicchi».

In Puccinis Komödie triumphierte das homogene Ensemble, wobei Asagaroff sein ganzes Können in der Personenführung ausspielte und auch schon mal eine Slapstick-Einlage wagte. Virtuos und temporeich dirigierte Santi die Musik, die über weite Strecken von einem dichten Parlando der sechzehn Figuren lebt.

Fabelhafte Charaktere zeichneten etwa Cornelia Kallisch als geldgierige Zita oder Giuseppe Scorsin als hinterlistiger Simone. Herr der Szene aber war Leo Nucci als Schicchi, der gekonnt zwischen verstellter Fistelstimme und dröhnendem Bariton changierte und mit orchestraler Unterstützung Florenz zum Glühen brachte.

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Tages-Anzeiger

11. 9. 2006 / Susanne Kübler

Die Narren spielen, und schön singen sie dazu

Heimspiel: Nello Santi und Grischa Asagaroff brachten am Samstag zwei Kurzopern von Ermanno Wolf-Ferrari und Giacomo Puccini ins Opernhaus.

Er spüre den Wunsch, «den Narren zu spielen», schrieb Giacomo Puccini 1918 zu seiner einzigen Buffo-Oper «Gianni Schicchi». Die Sängerinnen und Sänger im Zürcher Opernhaus spielen sichtlich gern mit. Lesen mit unisono gereckten Hälsen das skandalöse Testament des Buoso Donati, das sie alle enterbt. Betrachten fiebrig die gewagten Fotos, die der liebe Verstorbene unter der Matratze versteckt hatte. Und versuchen dann vor Luigi Peregos perfekt schwanktauglichem Paravent zischelnd jenenGianni Schicchi zu bestechen, der ihnen als falscher Buoso doch noch die erhofften Reichtümer verschaffen soll.

Leo Nucci gibt diesen Schicchi, der sie am Ende alle hereinlegt: die stimmlich und darstellerisch wunderbar rässe alte Tante Cornelia Kallisch, den trötzelnden Peter Keller, den ganzen hingebungsvoll heuchelnden Clan mit Margaret Chalker, Giuseppe Scorsin, Stefania Kaluza und weiteren Pfeilern des Zürcher Ensembles. Es ist ein virtuoser Auftritt, in jeder Hinsicht. Nucci quäkt und droht, flötet und karikiert, dass es eine Freude ist, und dass er die Filme des legendären italienischen Komikers Totò kennt, ist nicht zu übersehen.

Komödien zum Geburtstag
Eine Freude ist auch, was dazu aus dem Orchestergraben kommt. Nello Santi präsentiert in seiner 86. Zürcher Premiere und zu seinem 75. Geburtstag eine Partitur, die seiner vitalen, spritzigen Art in jedem Takt entgegenkommt. Er kennt die Effekte, er beherrscht die Tempi und weiss auch, wann Perfektion nicht das Wichtigste ist. Das Orchester der Oper seufzt unter seiner Leitung herzhaft und differenziert über den Toten und das verlorene Geld, es beherrscht den Ton des falschen Pathos ebenso wie jenen der echten Schlaumeierei.

Von diesem theatralischen Impetus profitiert auch der andere Einakter, der den Abend zuvor eröffnet hatte: Ermanno Wolf-Ferraris «Il segreto di Susanna» von 1911. Auch hier wird mit allen möglichen Tonfällen und Stilen gespielt, mit Fugen, Tänzen und charakteristischen Soli - weniger fulminant als bei Puccini, aber mit einem ganz eigenen lyrischen Humor. Selbst eine grosse Liebesarie gibt es, nur gilt diese Liebe für einmal der Zigarette: Susanna frönt heimlich dem Laster des Tabaks, ihr Mann erschnuppert einen vermeintlichen Geliebten, und die Missverständnisse werden nach dem Vorbild barocker Intermezzi und mit Hilfe eines stummen Dieners eine Stunde lang aufrechterhalten.

Der Zürcher Hausregisseur Grischa Asagaroff setzt auch hier auf die direkte, präzis getimte, mit keinerlei Tiefsinn überfrachtete Komödie. Das luxuriöse Art-déco-Interieur ist ebenso stimmig wie bei «Gianni Schicchi» die im Hintergrund aufgefaltete Florentiner Kulisse, und die Gags werden nicht ausgewalzt, sondern wirklich musikalisch gesetzt. Der Diener etwa bedient den Staubwedel nur einen Moment lang ganz nach Santis Dirigat, und das Mitleid des Gatten mit dem Porzellanleoparden, den er bei seinem Eifersuchtsanfall dann doch nicht zerschmettern mag, sorgt im Publikum für herzliche Lacher.

Rauchen und jubeln
Am Ende gewinnt in beiden Kurzopern die Liebe, und beide Male heisst die Glückliche Adriana Marfisi. Bei Wolf-Ferrari raucht sie als Susanna, ganz gelangweilte Noblesse der 1920er-Jahre, die Versöhnungszigarette mit einem demonstrativ biederen, sonor polternden Paolo Rumetz; bei Puccini fällt sie dem mit viel tenoralem Schmelz um sie werbenden Fabio Sartori als kindlich jubelnde Landschönheit um den Hals. Sie tut beides mit leichtem, wenn auch zuweilen spitzem und nicht besonders wandlungsfähigem Sopran und wirkt damit eher blasser als der Rest des ausgesprochen farbig agierenden Ensembles. Aber auch das gehört ins Genre, das hier so genüsslich zelebriert wird: Echte Liebende haben es in Komödien dieses Kalibers stets ein bisschen schwer.

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Zürcher Oberländer

11. 9. 2006 / Sibylle Ehrismann

Ein Dirigent mit Herzenswärme

Nello Santi, Publikumsliebling am Zürcher Opernhaus, feiert seinen 75. Geburtstag. Dafür wählte er die heiteren Einakter «Il segreto di Susanna» von Wolf-Ferrari und Puccinis «Gianni Schicchi».

Auf der Bühne stand - wie es sich für einen bambinibegeisterten Italiener gehört - seine Tochter, die Sopranistin Adriana Marfisi in der weiblichen Hauptrolle. An der Premiere vom Samstag wurde Santi denn auch gebührend gefeiert.
«Italianità» - ich erinnere mich gut daran, wie ich dieses Wort erstmals in einer Rezension schrieb. Nello Santi dirigierte Verdi einfach anders als andere: Weniger auf Brillanz und Präzision bedacht, sondern mit Herzenswärme, mit leidenschaftlicher Glut und sprechender Agilität. Sein Sinn fürs Vokale, für ein Orchester, das den Sängerinnen und Sängern mitatmend zudient, ermöglichte ihm echte Hingabe.
Dazu kommt seine bedächtig-gemütliche, nur schwerfällig sich bewegende Gestalt: Santi ist kein Kostverächter, er geniesst das Leben und strahlt Zufriedenheit aus. Auf diese seine unverkennbare Art hat Santi ein halbes Jahrhundert lang die Spielzeiten am Zürcher Opernhaus geprägt. Grazie, Maestro!

Banale Geschichte, reizvolle Musik
In Ermanno Wolf-Ferraris Einakter «Il segreto di Susanna» geht es denn auch nur um ein kleines Laster. Susanna, die gerade den Grafen Gil geheiratet hat, langweilt sich und vertreibt sich deshalb die Zeit mit Rauchen. Der Graf weiss nichts davon, doch natürlich riecht er es. Und er schliesst daraus, dass seine Gattin einen rauchenden Liebhaber hat - er rast vor Eifersucht.

Paolo Rumetz vermochte dieser tölpischen Bariton-Partie stimmlich und szenisch ein Optimum abzugewinnen. Als er seine Gattin in flagranti erwischt, aber keinen Liebhaber findet, fliegt das Laster auf. Der Graf ist erleichtert und raucht mit ihr eine mit.
So leichtfüssig banal dieses Geschichtchen ist - die Musik hat durchaus ihren Reiz. Das Credo von Wolf-Ferrari (1876-1948), der halb Italiener, halb Deutscher war, lautete eben, den von Kummer gebeugten Menschen mit seiner Musik Freude zu ermöglichen, sie aufzuheitern.

Dies tat er mit einiger Phantasie. Zum Beispiel mit raffiniertem Einsatz der Holzbläser, die mit kammermusikalischer Virtuosität den Beginn dieses Intermezzos prägen. Da zeigten sich an der Premiere auch die ersten Koordinationsprobleme im Orchester.
Oder dann die herrliche Szene, in der Susanna beglückt ihre Zigarette geniesst. Da beginnt's in der Musik zu schweben, ja zu halluzinieren. Die Rauchwölkchen werden akustisch gemimt und aufgelöst, das Abheben der jungen Frau ist harmonisch raffiniert komponiert. Adriana Marfisi, die zu Beginn noch sehr nervös wirkte, sang diese Stelle erstaunlich gelassen. In der Mittellage schien sie sich jedenfalls deutlich wohler zu fühlen als in der Höhe.

Ihre enge, weit hinten angesetzte und eher kleine Stimme wirkte sonst gerne spröde und metallig. Es war für sie nicht leicht, in diesem hochkarätigen Zürcher Ensemble mitzuhalten - das ist einfach nicht ihre Liga.

Auch Giacomo Puccini ist natürlich ein anderes Kaliber als Wolf-Ferrari. Sein «Gianni Schicchi» ist in verschiedener Hinsicht ein Bravourstück. Das eine ist die Thematik, handelt es sich doch um eine komödiantische Erbschleicherei. Dazu gehören sympathische kleine Gauner, echte Figuren, die nicht, wie bei Wolf-Ferrari, ein künstliches Drama erzeugen. Leo Nucci jedenfalls konnte in der Hauptpartie so richtig aufblühen, und Nello Santi blühte mit.

Die Regie von Grischa Asagaroff und die Ausstattung von Luigi Perego betonten denn auch vor allem die verschiedenen Charakteren in einem ästhetischen und doch funktionalen Dekor.

Die Geschichte dreht sich um das Testament des verstorbenen Buoso Donati. Er hat seinen ganzen Reichtum einem Kloster vermacht. Die pseudotrauernde Verwandtschaft ist natürlich schockiert. Doch der schlaue Gianni Schicchi weiss Rat. Vom Tode Buosos weiss noch niemand sonst. Deshalb legt er sich verkleidet ins Bett, lässt den Notar kommen und diktiert ihm ein neues Testament. Und die Verwandten müssen erbost mit anhören, wie er das Haus und die Mühlen - die interessantesten Dinge - sich selber vermacht.

«O mio babbino caro»
Das Zürcher Ensemble konnte sich in dieser «Verwandtschaft» so richtig ausleben. Es gelang Sängerpersönlichkeiten wie Cornelia Kallisch, Stefania Kaluza, Margaret Chalker, Peter Keller, Giuseppe Scorsin und anderen, ihren Charakter auch im musikalischen Ensemble brillant auszuspielen.
Eindrücklich war zudem die echte Leidenschaft von Fabio Sartori in der Rolle des Rinuccio, der freudig erregt in seine Lauretta, die Tochter von Schicchi, verliebt ist. Und als Lauretta holte sich auch Adriana Marfisi mit der berühmten Arie «O mio babbino caro» («O, liebes Väterchen») einen verdienten Szenenapplaus. Das Orchester zog dank Santis souveräner Übersicht alle Register und verhalf so der vielschichtig vitalen Musik von Puccini zu grosser Wirkung.

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Zürichsee-Zeitung

12. 9. 2006 / Werner Pfister

«Tutto è fumo a questo mondo...»

Zwei Operneinakter, komödiantische Leichtgewichte unterschiedlicher Façon, hat sich der Dirigent Nello Santi zu seinem 75. Geburtstag gewünscht. Ein szenisches Schmunzel-Fest, aber nicht unbedingt ein sängerisches.

Seit der Saison 1958/59 ist Nello Santi dem Zürcher Opernhaus eng verbunden. Bis zu vier Neuinszenierungen pro Spielzeit hat er musikalisch betreut, insgesamt sind es über 80 geworden. Damit hat er das künstlerische Profil des Hauses entscheidend mitgeprägt; «seine» Sänger und auch das Orchester wissen es zu schätzen, und eine entsprechend grosse Fan-Gemeinde hält ihm seit Jahren unwandelbar die Treue - diesmal mit besonders frenetischem Beifallsjubel.

«Il segreto di Susanna» von Ermanno Wolf-Ferrari (sein Doppelname weist auf eine italienische Mutter und einen deutschen Vater hin) führt in der grossen Operngeschichte eher ein Fussnotendasein; zu leichtgewichtig, zu «unschuldig» wirkt das Stück heute, wo das bürgerlich-naive Schmunzeltheater längst zum Fernsehen abgewandert ist - leider oft unter dem Verlust seiner Unschuld.

Rauchzeichen
Umgekehrt, wie lässt sich allen Ernstes eine Geschichte inszenieren, die eigentlich nur auf einer Vermutung beruht? Ein jungvermählter Graf nimmt in seinem Haus und an den Kleidern seiner jungen Frau plötzlich Tabakgeruch wahr. Statt auf das Naheliegendste zu schliessen, dass diese nämlich heimlich raucht, vermutet er, dass sie einen heimlichen, rauchenden Liebhaber habe. Mehrmals überrascht er sie nun in unerwarteten Momenten, um sie - das heisst: die beiden - in flagranti zu ertappen.

Als er schliesslich entdeckt, dass es nicht eine verboten-heimliche Liebschaft ist, die da im Versteckten glüht und glimmt, sondern ein kleiner, rauchender Stengel, vergibt er ihr. Und beide stecken sie sich nun friedenspfeifenmässig eine Versöhnungszigarette an: «Tutto è fumo a questo mondo...», derweil aus dem Orchester in kringelnden Arabesken der Soloflöte feine Rauchzeichen aufsteigen. Oh, du gute alte, Zeit, als noch nicht auf jeder Zigarettenschachtel zu lesen war: «I fumatori muoiono prima» respektive «Il fumo uccide».

Tempi passati - und genau dort setzen Regisseur Grischa Asagaroff und Ausstatter Luigi Perego an, nämlich in der Lebensgegenwart Ermanno Wolf-Ferraris. Eine Glaswand mit schönem Jugendstil-Dekor grenzt den Raum ein, drei Türen ermöglichen mal exaltierte, mal heimliche Auftritte und Abgänge. Zu spielen gibt es nicht eben viel, da es an Handlung mangelt, und so behilft sich Susanna wiederholt mit stereotypem Händeringen oder hält sich dekorativ an einer Stuhllehne fest, derweil ihr eifersüchtiger Gatte sich (zu) oft zum vordergründigen Poltern verleiten lässt, was die Wirkung zusehends schmälert. Zuweilen klebt das alles ein bisschen und will nicht so recht vom Fleck kommen, trotz der vitalen und gleichzeitig äusserst kunstvollen Musik. Ein schauspielerisches Kabinettstückchen liefert Timo Schlüssel als stummer Diener.

In Dur und Moll
Um einen Fall ganz anderer Art handelt es sich beim Einakter «Gianni Schicchi», Giacomo Puccinis einziger Musikkomödie und gleichzeitig seinem letzten vollendeten Werk. Statt unschuldig verspielter Eindimensionalität gibt hier, szenisch wie musikalisch, Doppelbödigkeit den Ton an. Denn der Witz dieser liebenswerten Florentiner Erbbetrugs-Geschichte besteht darin, dass es sich um einen doppelten Betrug handelt: Die Betrüger werden selber betrogen. Am Ende geht es nicht um Recht oder Unrecht, denn nicht das Gute siegt über das Böse, sondern das Bauernschlaue über das Strohdumme.

Hier, in dieser vielleicht raffiniertesten Partitur Puccinis, die ganze fünfzehn Rollen vorsieht, vom 7-jährigen Gherardino bis zum 70-jährigen Simone, fühlt sich Regisseur Grischa Asagaroff sichtlich in seinem Element. Gekonnt setzt er szenische Kontrapunkte: wenn die erbschleicherische Verwandtschaft, in Dur und Moll klagend, sich um das Bett des verstorbenen Buoso Donati schart und der kleine Gherardino, zum Entsetzen aller, auf dem Dreirad unschuldig seine Kurven dreht.

Die Szenerie - das Schlafzimmer des Verstorbenen - ist diesmal durch Wandschirme eingegrenzt (eine feine Parallele zu den Glaswänden); im Hintergrund leuchtet Florenz wie ein fantastischer Bilderbogen. Mit Tempo und Witz entwickelt sich das Geschehen, lassen die erbschleichenden Verwandten ihre aufgesetzten Trauermienen fallen und machen gute Miene zum bösen Spiel. Es darf geschmunzelt werden - und es wird gelacht.

Funkelnde Finessen
Was die musikalische Seite dieser beiden Neuinszenierungen anbelangt, wacht Maestro Nello Santi wie ein Erzvater über den Partituren und dürfen sich die Sänger sicher fühlen wie in Abrahams Schoss. Rührend, wie er die musikalischen Finessen in Wolf-Ferraris Musik zum Funkeln bringt, wie er dieser quecksilbrig-elastischen Musik mit einer dem Komödienstoff perfekt angemessenen Leichtigkeit zu schönster Wirkung verhilft. Handfester und direkter geht es bei Puccini zu, als würde das Orchester seine eigenen, spitz satirischen Bemerkungen zum abstrusen Spiel auf der Bühne abgeben. Und die Musiker tun das mit souveräner Meisterschaft.

Indes, für die Sänger kann ich bei weitem nicht so einhellige Begeisterung empfinden. Sicher, Leo Nucci ist ein stimmlich imposanter Gianni Schicchi, aber irgendwo fehlt seinem Gesang die Vis comica. Das ist alles sehr vordergründig ausgespielt, ohne Augenzwinkern. Noch gravierender fällt die vokale Einsilbigkeit von Adriana Marfisi ins Gewicht. Eine Stimme, die meistens scharf klingt und nicht frei ist von einem leicht sägenden Beiklang. Keine Rede von einem fantasievollen Umgang mit vokalen Farbvaleurs; ob Marfisi die edle Genussraucherin Susanna singt oder die jungverliebte Lauretta, das tönt immer gleich.

Paolo Rumetz verkörpert den eifersüchtigen Grafen Gil mit viel exaltierter Emphase, lässt sich aber auch zum Forcieren verleiten, was dem stimmlichen Ausdruck nicht wohl bekommt. Fabio Sartori verleiht dem tenoralen Liebhaber Rinuccio feurige Inbrunst, womit er sich wirkungsvoll gegenüber seiner mal keifenden, dann wieder aufbegehrenden, mal spöttischen, im Handumdrehen auch eifersüchtigen Verwandtschaft abhebt, die sich sängerisch entsprechend profiliert. Viel Applaus zum Schluss, und zwar für alle Beteiligten; am meisten aber für Maestro Santi.

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